Genussfähigkeit bezeichnet die eigene Fähigkeit sich der Wirkung der Droge voll hingeben zu können und das Anwenden des Wissens darüber was diese Fähigkeit unterstützt. Konsument*innen, denen es an Genussfähigkeit mangelt, schaffen es trotz hoher Dosis oder häufigen Gebrauchs nicht die gewünschte Wirkung zu erzielen. Die Fähigkeit den Moment zu genießen ist nicht nur beim Drogengebrauch wichtig, sondern ist notwendig für das nüchterne Erfahren von Lebensfreude und einem geglückten Leben.
Kernfragen der Genussfähigkeit
Konsumiere ich bewusst oder ziehe ich mir einfach rein, was knallt? Wenn ich mich unter dem Einfluss der Substanz schlecht fühle, woran liegt das? Hindern mich die Erwartungen anderer daran die Wirkung zu genießen? Wenn ich die Wirkung der Droge nicht genießen kann, wieso konsumiere ich dann überhaupt? In welchen Umgebungen kann ich die Substanzwirkung am besten genießen und was mache ich gern dabei? Konsumiere ich lieber allein oder mit anderen? Wie muss ich mich vorher fühlen, um mich der Wirkung voll hingeben zu können? Wie viel ist ‘genau richtig’ und wovon hängt das ab? Suche ich den kontrollierten Rausch oder den Kontrollverlust? Was suche ich in der Wirkung: Ekstase, Flucht aus dem Alltag, Schmerzlinderung, ungewöhnliche oder mystische Erfahrung?
Konsumieren ohne Reue
Meiner Erfahrung nach hat die Tabuisierung und gar das Verbot der gebrauchten Substanz durchaus einen Einfluss auf die eigene Fähigkeit den veränderten Bewusstseinszustand zu genießen. Zum einen kann dies zu einem Gefühl der Reue während der Wirkung führen, andererseits kann der Kick des Verbotenen auch die Erfahrung aufregender machen. Es hilft meiner Ansicht nach diese Gefühle zuzulassen und zu verstehen, auch und besonders im nüchternen Zustand. Erst wenn du mit dir selbst im Reinen bist, verstehst und akzeptierst du warum du jetzt konsumierst oder auch nicht konsumierst, kannst du dich sowohl auf den Rausch als auch auf den nüchternen Zustand voll einlassen.
Mir persönlich hat es geholfen zu verstehen, dass die Art wie wir derzeit mit legalen und illegalisierten Drogen gesellschaftlich und rechtlich umgehen nicht angemessen ist. Konkret bedeutet das, dass ich für mich selbst hier kritisch heraus finden musste, was richtig und falsch ist. Das ist nicht immer das, was meine Freunde, die Medien oder das Gesetz sagen. Dabei habe ich auch nicht vergessen, dass ich für mich und die Menschen in meiner Umgebung eine gewisse Verantwortung habe. Vielleicht hilft dir das etwas.
Bewusst konsumieren und genießen
Wahrer Genuß kann erst stattfinden, wenn du im Moment bist. Wenn sich deine Gedanken um irgendetwas drehen, du versuchst mit deinem Konsum vor einem unangenehmen Gedanken zu fliehen oder nur eine bestimmte Erfahrung zulässt, so bist du nicht bei dir selbst oder deiner Umgebung und kannst nicht auf das eingehen, was kommt. Nimm wahr was die Wirkung mit dir macht, was sie verändert und urteile nicht gleich. Ein übermäßiges Verlangen den Rausch zu kontrollieren kann verhindern, dass sich die Wirkung voll entfaltet. Bei einigen Substanzen kann es sogar zu Angstzuständen führen, wenn du merkst, dass du diese Kontrolle nicht mehr hast.
Es ist der bewusste Konsum, der aus einer Droge ein Genußmittel macht. Dazu zählt auch, dass du darauf achtest was du konsumierst, wie viel davon, in welcher Umgebung, mit welchen Menschen und mit welcher Grundstimmung. Eine Prise Spontanität ist aber auch nicht verkehrt.
Pflege von guten Konsumritualen und Drogenkulturen
Wir konsumieren häufig zusammen mit anderen Menschen und selbst die, die eher allein konsumieren, entwickeln mit der Zeit Rituale, wie z.B. das kunstvolle Joint-Drehen oder das soziale Joint-Kreisen-Lassen. Solche Rituale können zu einer schöneren Erfahrung beitragen und uns auch dabei unterstützen besser mit Risiken umzugehen. So kann zum Beispiel in Notsituationen jemand Hilfe rufen, wenn du nicht allein konsumierst. Oder wenn es zum Beispiel Brauch in der Gruppe ist, dass jeder sein eigenes Ziehröhrchen benutzt, so werden die Mitglieder davon abgehalten stattdessen unhygienische Geldscheine zu benutzen. Du kannst dir selbst bewusst solche guten Rituale aneignen oder sie von den Mitkonsumenten*Mitkonsumentinnen übernehmen und vielleicht sogar dabei helfen bessere umzusetzen.
Im besten Fall, bildet sich so eine kleine Drogenkultur heraus in denen Menschen genußvoll konsumieren können und in ihrer Drogenmündigkeit unterstützt werden. Soetwas kennt man zum Beispiel bereits bei Weinverkostungen und Familienfeiern – wenn maßvoll Alkohol getrunken wird und kein Zwang zum Trinken besteht. Mit besseren Drogengesetzen wäre es einfacher solche Drogenkulturen auch bei heute illegalisierten Substanzen aufzubauen und aufrecht zu erhalten – so gibt es leider nur wenige im Verborgenen. Als Beispiel hier gibt es halb-legal und illegal operiende Cannabis Social Clubs, in denen Drogenkultur aktiv gelebt wird.
Andererseits können schlechte Rituale auch den Konsum unangenehm machen und die Risiken vergrößern. So ist es zum Beispiel in einigen Jugendgruppen üblich übermäßig viel Alkohol zu trinken. In vielen Gruppen wird man als Außenseiter*in betrachtet, wenn man keinen Alkohol mittrinkt. Auch das Oktoberfest kann als Beispiel betrachtet werden für eine teilweise gescheiterte Drogenkultur. Es ist ratsam diese Probleme in der Gruppe direkt anzusprechen und die problematischen Rituale nicht einfach zu übernehmen. Wenn diese Probleme nicht gelöst werden und deinem Glück im Weg stehen, würde ich dir empfehlen solche Gruppen zu meiden.